Geweihte
Zweige sollten früher Blitz und Brand abhalten
Palmzweige galten sogar als Medizin
NORDKIRCHEN. Noch um 1900 galten die am Palmsonntag
geweihten Palmzweige als wirksames Mittel, um Häuser vor Feuer und Blitz zu
schützen, deshalb wurden sie unter das Dach des Hauses gelegt oder bei
schweren Unwettern im Herdfeuer verbrannt.
Bei so manchem
Zipperlein galten sie bei Mensch und Tier als probates Mittel zur inneren
Anwendung. Noch heute ist der Brauch in Westfalen verbreitet, Palmstöcke
anzufertigen. Die Kinder ziehen am Palmsonntag zur Kirche, wo die
Palmstöcke geweiht werden.
Im Münsterland werden
die Palmstöcke in der Regel aus Buchsbaumzweigen hergestellt. Heute werden
die Palmstöcke meist in den Kindergärten und Grundschulen gefertigt. Kinder
und Eltern nehmen sich dabei viel Zeit, die grünen Zweige vor allem mit
buntem Krepppapier und Schleifenband zu schmücken.
Die Art der Palmstöcke
ist von Ort zu Ort unterschiedlich: Die Formen der Stöcke reichen von
kleinen Baumwipfeln mit vielen Ästen, über gerade Stöcke mit vielen kurzen
Verzweigungen bis hin zu kunstvollen kreuzförmigen Gebinden. Um die Wende
zum 20. Jahrhundert herum wurden in den Zweigen vor allem bunte Schleifen
aus Stoff und Papier, Heiligenbilder und Lebensmittel wie Gebildbrote,
Nüsse, Äpfel oder auch Bonbons befestigt.
Die geweihten Palmen
werden in vielen katholischen Familien auch heute noch an besonderen Orten
im Haus aufbewahrt. Um 1900 war der Glaube an die segensspendende Kraft der
Palmzweige noch weit verbreitet. Deshalb zerteilte man die Palmbüschel und
brachte möglichst in jedem Raum des Hauses sowie in den Stallungen ein
Zweiglein an. Vielfach wurden die Palmen unter das Dach des Hauses gelegt,
teilweise sprach man ihnen heilende Kraft gegen Krankheiten zu, deshalb
wurden sie als Tee getrunken.
Um 1900 herum war es in
den meisten Orten des Münsterlandes üblich, dass nur die Kinder die Palmen
zur Palmweihe tragen durften. Aber auch an die kinderlosen Familien wurde
gedacht: Die Kinder aus der Nachbarschaft brachten ihnen einige Zweige aus
ihren Palmbüschen. Dafür erhielten sie als Dankeschön ein kleines Geschenk.
In Sendenhorst
legten die Kinder ihre Palmstöcke vor das Kreuz in der Kirche, wo sie
geweiht wurden. Nach dem Hochamt wurden die geweihten Palmstöcke vor den
Türen der Kirche verteilt. Alle Erwachsenen versuchten einen der begehrten
Stöcke zu erlangen. Diejenigen, die keinen Palmstock mit nach Hause
brachten, erhielten nämlich angeblich zu Ostern keine Eier.
Mancherorts verband
sich mit dem Palmsonntag auch ein Heischebrauch.
Die Kinder gingen von Haus zu Haus und sangen ein Heischelied,
das speziell auf den Palmsonntag gemünzt war. Dafür bekamen sie
Nahrungsmittel, die sie an ihren Palmstöcken befestigten und am Ende des
Umzuges aßen.
Die Nationalsozialisten
hatten versucht, den Palmbrauch als uraltes germanisches Erbgut
darzustellen, das in Zusammenhang mit Fruchtbarkeitsriten zu sehen sei.
Leider findet sich
diese rassenpolitisch motivierte falsche Deutung des Brauches auch noch in
neueren Veröffentlichungen. Das hat mit dem Brauch, der fest in das kirchliche
Leben eingebunden sei, aber nichts zu tun.
|